Im Mai 2017 haben die Vereinten Nationen den 30. September als International Translation Day anerkannt. Bereits 1991 hatte die Fédération Internationale des Traducteurs (FIT) den 30. September, an dem traditionell des Bibelübersetzers Hieronymus gedacht wird, zum Internationalen Übersetzertag erklärt. Seit einigen Jahren begeht der VdÜ, aus dessen Reihen bereits vor Jahrzehnten der Hieronymusring zur Würdigung von Übersetzerleistungen gestiftet wurde, diesen weltweit und in vielen europäischen Ländern (Österreich, Litauen, Frankreich und Dänemark) eingeführten Tag auch in der deutschen Öffentlichkeit.

Warum?

„Die Weltliteratur“, so der portugiesische Schriftsteller und Nobelpreisträger Saramago, „wird von Übersetzern gemacht.“ Aber Übersetzer*innen „machen“ noch viel mehr: Auf ihrer Arbeit baut die gesamte abendländische Kultur auf. Das fängt mit den Bibelübersetzungen der Spätantike an und setzt sich im 9. Jahrhundert in Bagdad fort, wo die wissenschaftlichen Texte der griechischen Antike ins Arabische übersetzt wurden. Die sogenannte „Übersetzerschule von Toledo“ übertrug dann im 12. Jahrhundert neben originalsprachig arabischen wissenschaftlichen und religiösen Texten auch diese Übersetzungen ins Lateinische, im 13. Jahrhundert auch ins Kastilische, was sich normierend auf die spanische Sprache auswirkte. Luthers Bibelübersetzung hat die deutsche Sprache wesentlich geprägt, die englische „King James Bible“ hatte großen Einfluss auf Milton und andere bedeutende englische Dichter. Die Shakespeare-Übersetzungen von Schlegel und Tieck haben der deutschsprachigen Bühnenkunst und ihren größten Repräsentanten unverzichtbare Impulse gegeben, und die Gedanken der Aufklärung konnten sich erst durch Übersetzungen in der ganzen Welt verbreiten.

Mit anderen Worten: Wo immer gesprochen, geschrieben, gelesen, ja selbst gesungen wird, hatten und haben Übersetzer*innen ihre Hand im Spiel, und ihnen verdanken wir es, dass die ganze Welt in der eigenen Sprache aufgehoben ist. Ihre Arbeit hat die Voraussetzung für die Entwicklung von Kultur und Wissenschaft, aber auch für die Entwicklung der Volkssprachen geschaffen und nicht zuletzt für die Möglichkeiten des vereinigten Europas und der heutigen globalisierten Welt.

Am Internationalen Übersetzertag sollen zahlreiche Übersetzerveranstaltungen in der Öffentlichkeit ein Bewusstsein für die Bedeutung der Übersetzung in Vergangenheit und Gegenwart wecken und zeigen, wer hinter den Übersetzungen steht, mit denen jeder ständig konfrontiert ist – von der schönen Literatur bis zum Fachbuch, vom Theater bis zu Film und Fernsehen, von Zeitungen und Zeitschriften bis zu Werbung und Gebrauchsanweisungen.