Volha Kalackaja am 27.09.2020 (Quelle: privat)

Volha Kalackaja am 27. September 2020 (Quelle: privat)

Am 15. Januar wurde Volha Kalackaja (Вольга Калацкая), Literaturübersetzerin aus Belarus, in Minsk festgenommen. Zwei Männer in Zivil suchten sie in ihrer Wohnung auf und nahmen sie mit aufs Revier ihres Wohnbezirks, wie sie noch auf Facebook mitteilen konnte. Am Abend ließ man ihren Anwalt wissen, man habe ein Verfahren gegen sie eröffnet nach Paragraph 342 des Strafgesetzbuches der Republik Belarus: „Organisation und Vorbereitung von Handlungen zur groben Störung der öffentlichen Ordnung oder Beteiligung daran“. Seither befindet sie sich in Untersuchungshaft und soll mittlerweile ins Untersuchungsgefängnis Žodzina verlegt worden sein. Im Falle einer Verurteilung drohen ihr bis zu drei Jahre Haft.

Volha Kalackaja ist eine engagierte und anerkannte Übersetzerin aus dem Englischen. Sie übertrug unter anderem Timothy Snyders The Reconstruction of Nations: Poland, Ukraine, Lithuania, Belarus, 1569–1999, Arthur Goldens Memoirs of a Geisha oder Margaret Atwoods The Penelopiad ins Belarusische. Im Jahr 2010 wurde sie mit dem Preis der Zeitschrift für übersetzte Literatur PrajdziSviet in der Kategorie Beste Prosaübersetzung für ihre Übertragung des Romans Man and Boy von Tony Parsons ausgezeichnet.

Ihre Verhaftung muss wohl im Kontext mit gezielten Angriffen des Regimes auf die unabhängige Literatur- und Verlagsszene in den vergangenen Tagen gesehen werden. Am 13. Januar wurden der Verleger Hienadź Viniarski und der Buchdesigner Anatol Lazar kurzzeitig festgesetzt, die Computer wurden konfisziert, die Verlagskonten sind eingefroren. Am 15. Januar wurde nach demselben Muster mit dem Verleger Andrej Januškievič, seinem Mitarbeiter Siarhiej Makarevič und dem Online-Buchhändler Aleś Jaŭdacha verfahren. Sie sind inzwischen auf freiem Fuß, mussten sich aber verpflichten, Stillschweigen über die Vorwürfe gegen sie zu bewahren.

Margaret Atwood schrieb in einer Protestnote des Amerikanischen PEN: „Es ist schrecklich mit ansehen zu müssen, wie brutal und unablässig die belarussische Regierung gegen die Menschen vorgeht, die sich nichts anderes wünschen, als in einem demokratischen Land zu leben und ihre Rechte respektiert zu sehen. Besonders unerträglich ist das, wenn Schriftstellerkollegen und Mitglieder der Literaturszene der Verfolgung ausgesetzt sind. Ich hoffe inständig, dass Volha und alle in Belarus unrechtmäßig Inhaftierten unverzüglich freigelassen werden.“ 

Nachtrag: Die österreichische IG Übersetzerinnen Übersetzer fordert „die umgehende Freilassung unserer Kollegin Volha Kalackaja.“ Das Solidaritätsschreiben ist nachzulesen auf der Website des Literaturhauses Wien.

(22.1.2021, Nachtrag: 30.1.2021)