Anne Helene von Canal, geb. Bubenzer; Foto © Franziska Hauser

Anne Helene von Canal, geb. Bubenzer; Foto © Franziska Hauser

Anne studierte Skandinavistik, Germanistik und Anglistik, absolvierte Praktika beim norwegischen Verlag Samlaget und der staatlichen Literatur-Organisation NORLA, sie war Volontärin bei Kiepenheuer & Witsch, Lektorin bei Lübbe und Rowohlt. Dann machte sie sich selbstständig, übersetzte aus dem Norwegischen und Schwedischen, schrieb erfolgreiche Romane.

Sie kam bei Siegen zur Welt und lebte seit zehn Jahren an der Mosel; Grund war ihr Mann Wolfgang, der fünfzehn Monate vor ihr starb. Doch in ihrem Herzen war und blieb sie Hamburgerin, es ist sicher kein Zufall, dass sie bei mare ihre verlegerische Heimat fand. Und dann war da noch Norwegen, „wo das Herz sein Zuhause hat“, wie sie wenige Tage vor ihrem Tod schrieb. Sie litt seit gut zwei Jahren an ALS und starb am Morgen des Buchmessendonnerstags. Die Nachricht verbreitete sich schnell, neben Trauer und Entsetzen war auch etwas wie Dankbarkeit spürbar, von ihrem Tod nicht allein am Schreibtisch zu erfahren, sondern in der Gemeinschaft der Freund:innen und Kolleg:innen und überdies an einem Ort, der ihr so viel bedeutet hatte. Einige vereinbarten, Texte zu schreiben, die dann zu einem Nachruf zusammengefügt werden sollten.

Doch wir hatten den Plan ohne Anne gemacht: Jede dieser Erinnerungen zeugt so stark und so individuell davon, wie sehr sie geliebt, bewundert, vermisst wird, dass es sich verbietet, die Texte zu verbinden, zu redigieren oder gar zu kürzen. Franziska Hauser trug das wunderbare Porträt bei.

Ebba D. Drolshagen

 

Anne war einer der furchtlosesten Menschen, denen ich je begegnet bin. Als Studentin in Oslo sprach sie einfach den mächtigen Verleger William Nygård an, so kam sie 1998 zu NORLA. Anne und ich sind zusammen zu Seminaren, Konferenzen, Buchmessen, Festivals und in Ferien gereist, wir haben einander besucht, unsere Hochzeiten miteinander gefeiert. Immer hatten wir Spaß, immer haben wir gelacht, immer war Raum für ernstere Gespräche. Anne war klug und facettenreich, immer klar, man konnte sie nie missverstehen. Auf unseren Reisen entstanden oft völlig überraschende, unvorhersehbare Situation, es war spannend, mit ihr zusammen zu sein. Anne wurde für mich zu einem Leitstern, an ihr kann ich mich immer orientieren. Sie fehlt mir unendlich.

Andrine Pollen

 

Groß und strahlend ragte Anne aus der Gruppe der Stipendiat:innen des OMI Art Centers in Upstate New York.  Ich war schwer erkältet, bekam nur die Hälfte mit, aber dass diese Frau mit ihren dunklen Locken, den neugierigen braunen Augen und dem hinreißenden Lächeln das Herz der kleinen Truppe war, begriff ich sofort. Aus allen Teilen der Welt waren wir zum Arbeiten angereist, zum Schreiben und Übersetzen, doch es verging kaum ein Tag, an dem Anne nicht eine neue Idee ausheckte, was wir uns ansehen, wohin wir in einer Pause wandern oder womit wir uns am Abend vor dem Kamin die Zeit vertreiben könnten. Ihr Ideenreichtum und ihre Entdeckungsfreude kannten keine Grenzen. Und sie riss uns alle mit! Mich, Justin, Vanessa und all die anderen, die sie auch später nie aus den Augen verlor. Und nur einer Anne konnte es gelingen, uns im folgenden Sommer an die Hänge der Mosel zu locken, wo ihr Mann eine Wein– und Sektkellerei betrieb. 

Anne von Canal, die Frau mit dem großen Herzen und dem strahlenden Lächeln, die fünf Sprachen fließend sprach und der Welt wundervolle Bücher, Übersetzungen und Fotos schenkte, war eine Menschensammlerin! Sie reiste von der Mosel bis in die Arktis, und immer kehrte sie mit neuen Freundinnen und Freunden im Gepäck zurück. Nun ist Anne fort, ihre Stimme ist verstummt, aber die Erinnerungen, die sie hinterlässt, voller Lebensfreude, Wärme und Inspiration, sie strahlen weiter.

Bettina Münch

 

Wir lernten uns 1998 bei einer Lesung von Erlend Loe in Köln kennen, ein Jahr später begann Anne ein Volontariat bei uns im Lektorat. Seitdem waren wir Freundinnen und haben uns auch beruflich immer wieder gesucht und gefunden. Sie hat für uns lektoriert und Gutachten geschrieben, sie hat mich bei der Auswahl von Autor:innen und Übersetzer:innen beraten, wir waren oft zusammen in Norwegen unterwegs, meist auf Einladung, manchmal auch privat.

Ich könnte jetzt über ihre Herzlichkeit, ihren Gerechtigkeitssinn, ihren Humor, ihre Wärme, ihren Optimismus, ihr Temperament und ihre Authentizität schreiben, aber das gehört vielleicht nicht hierher. Hierher gehören aber ihre Klugheit, ihre Kenntnis des Buchmarkts, ihre Großzügigkeit, dieses Wissen auch zu teilen, ihre Intuition beim Büchermachen, ihre Präsenz und ihr Charme beim Moderieren, ihre Sprachkompetenz beim Übersetzen und ihre schriftstellerische Brillanz – es gibt Szenen in ihren Büchern, die man nie mehr vergisst. Anne war das beste Beispiel dafür, dass die Branche von Leidenschaft und Herzenswärme lebt, dass man lustig und hilfsbereit und albern sein kann, ohne damit weniger professionell zu werden.

Sie hat „jeden Raum mit Sonne geflutet“. Die gemeinste und mieseste Krankheit hat uns einen der besten Menschen genommen. Annemor, du fehlst.

Helga Frese-Resch

 

Anne – das war immer wie ein Stoß frischer Luft, sofort belebend, funkelnd … Wir lernten uns auf der Buchmesse kennen, als sie gerade aus Norwegen zurückgekommen war. „Schau mal, das ist Anne, die hat gerade eine Zeit lang bei uns gearbeitet.“ Und dann sofort Blitzverliebtheit. Was sie gemacht habe, was sie machen wolle? Ein Verlagsvolontariat? „Komm mal mit.“ Einmal quer durch den Raum, zu Helga: „Schau mal, darf ich dir eure neue Volontärin vorstellen?“ Blitzverliebtheit auch da.

Eine Künstlerin des richtigen Tons. Ihre beiden letzten Beiträge auf Facebook, wo sie über ihre Erkrankung und deren Fortschreiten schrieb - die letzte nicht viele Tage vor ihrem Tod: Ungeheure Klarheit, nichts Beschönigendes, und keinerlei Larmoyanz.

Und da stehen wir jetzt, donnernd erschüttert von der Brutalität dieser Krankheit, von dem irrsinnigen Kontrast zwischen Annes Vitalität und diesem gnadenlosen Verlauf.

Hinrich Schmidt-Henkel

 

Es fing damit an, dass Helga Frese-Resch sagte, es sei nicht richtig, dass Anne und ich uns nicht kennen. Also verabredeten wir uns, und es war ab der ersten Minute klar, dass Helga recht hatte. Nach einer Stunde beschlossen wir, gemeinsam eine Anthologie herauszugeben – es zog sich dann ein bisschen, aber drei Jahre später erschien „Irgendwo ins grüne Meer“ mit Geschichten von Inseln.

Natürlich hatten wir uns viel mehr zu erzählen als Inselgeschichten. Mit Anne ging einem nie der Gesprächsstoff aus. Und schon gar nicht das Gelächter. Wir trafen uns, wann immer sie in Hamburg war, auf der Buchmesse oder wo es sich sonst anbot. Ich besuchte sie in Winningen. Wir gingen zusammen schwimmen, sie hat das Schwimmen so geliebt. Wir telefonierten nie weniger als eine Stunde. Es war nie alles gesagt. Sie hätte noch viel mehr zu sagen gehabt, mehr Geschichten zu erzählen gehabt, mit ihrer Empathie und ihrer poetischen Sprachkraft. Sie hatte noch so viele Pläne. 

Einen letzten hat sie noch umgesetzt, kurz vor ihrem Tod ist sie nach Norwegen gereist, als jeder andere längst gesagt hätte, dass das wirklich nicht mehr geht. So war sie, wenn sie etwas wollte. Und reisen wollte sie, immer.

Es hatte etwas Tröstliches, dass sie während der Buchmesse starb, wo man gemeinsam traurig sein konnte, einander Anne-Geschichten erzählen konnte und dabei von unzähligen anderen Geschichten umgeben war.

Wunderbare, lebenspralle, gutgelaunte, energiegeladene, kluge, lustige Anne. Du wirst fehlen. Dein Lachen wird fehlen, dein Humor und deine Herzenswärme werden fehlen.

Isabel Bogdan

 

Ich habe Anne immer bewundert, weil sie eine große, schöne Frau war, die wagte, Platz einzunehmen, ohne anderen Platz wegzunehmen. Sie war klug, humorvoll, professionell, kenntnisreich, aufgeschlossen, mutig.

Oliver Møystad