Gemeinsame Erklärung deutschsprachiger und europäischer Schriftsteller- und Übersetzerverbände zum Writers in Prison Day 2005 am 15.11.2005

Die Klagen gegen Orhan Pamuk – Es gibt kein Recht auf Unterdrückung der Meinungsfreiheit

Mit wachsender Unruhe beobachten wir die von nationalistischen Kreisen in der Türkei gegen Orhan Pamuk vorgebrachten Anschuldigungen. Auf Orhan Pamuk wartet nicht nur ein schon vor längerer Zeit eingeleitetes Gerichtsverfahren wegen angeblicher „Beleidigung des Türkentums”, er soll nun auch noch wegen “Verunglimpfung der türkischen Armee” vor Gericht gestellt werden.

Der diesjährige Preisträger des Friedenspreises des deutschen Buchhandels hat nichts anderes als einen verantwortungsvollen Umgang seines Landes mit der jüngeren Geschichte eingefordert, wie das in den demokratischen Ländern Europas seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs selbstverständlich ist, und er hat auf den hohen politischen Einfluß des türkischen Militärs verwiesen.

Nicht die Äußerungen Pamuks beleidigen - daß er sich auf Grund dieser Äußerungen vor Gericht verantworten soll, ist beleidigend. Die Türkei hat keinen größeren Fürsprecher als ihn, davon hätten sich die Heimatschützer seines Landes bei Orhan Pamuks Dankesrede für den ihm verliehenen Friedenspreis in der Frankfurter Paulskirche leicht überzeugen können.

Es mag sein, daß die Befassung mit den dunklen Kapiteln der eigenen jüngeren Vergangenheit schmerzvoll ist, ihre Aufarbeitung hat aber jenseits der dafür bestehenden internationalen Rechtsnormen und Rechtsinstanzen nichts vor Gericht verloren, sondern sollte vielmehr in öffentlichen Diskussionen geschehen, wie das auch in anderen Ländern Europas, die durch Beteiligung oder Mitwirkung an Menschenrechtverletzungen belastet sind, der Fall war und ist.

Wir fordern daher von den zuständigen Behörden in der Türkei die Zurückweisung aller Versuche, Orhan Pamuk mit Haftstrafen zu bedrohen oder gar ins Gefängnis zu bringen. Darüber hinaus sind alle europäischen Einrichtungen aufgefordert, geeignete Maßnahmen zur Unterstützung von Orhan Pamuk zu ergreifen. Wir erklären unsere Bereitschaft, Orhan Pamuk in jeder Weise bei der Wahrung seiner Grundrechte als Bürger und Schriftsteller zu unterstützen.

 

PS: Orhan Pamuk wird einer der Autoren sein, deren Texte beim Writers in Prison Day des österreichischen P.E.N.-Club und des österreichischen Writers in Prison Committee am 15.11.2005 in der Wiener Michaeler Kirche ab 19.30 Uhr gelesen werden.

 

Diese Pressemitteilung wird in den EU-Verkehrssprachen an europäische und nationale Einrichtungen in den EU-Mitgliedsstaaten, an die Medien und als Aufruf zur Unterstützung an Künstler/innen in Europa verschickt.

 

Unterzeichnet von:

IG Autorinnen Autoren, Wien/A

Österreichischer P.E.N.-Club, Wien/A

GAV - Grazer Autorenversammlung, Wien/A

ÜG - Übersetzergemeinschaft, Wien/A

AdS – Autorinnen und Autoren der Schweiz, Zürich/CH

Deutsch-Schweizer PEN Zentrum, Wassern/CH

VS - Verband deutscher Schriftsteller, Berlin/D

P.E.N.-Zentrum Deutschland, Darmstadt/D

VdÜ - Verband deutschsprachiger Übersetzer e.V., Berlin/D

EWC - European Writers‘ Congress / The Federation of European Writers‘ Associations, FAEE - Fédération des associations européennes d’écrivains, Europäischer Schriftstellerkongreß / Dachverband europäischer Schriftstellerverbände, München/D

CEATL - European Council of Associations of Literary Translators / Conseil Européen des Associations de Traducteurs Littéraires / Europäischer Dachverband der Literaturübersetzer-Verbände, Brüssel/Belgien

International PEN, London

International PEN Writers in Prison Committee, London

European Council of Artists, Kopenhagen, Dänemark

 

Österreich, Schweiz, Deutschland, Belgien, Großbritannien, Dänemark, 14.11.2005
 

Weitere Informationen:

Sabine Herholz, VS Geschäftsführerin
Tel.: (030) 69 56 23 28
E-Mail:

V.i.S.d.P. : Sabine Herholz