Die Brisanz, die Theorie insbesondere in der intellektuellen und institutionellen Landschaft der Bundesrepublik von Anfang der 1960er bis Ende der 1990er Jahre entfalten konnte, hing zu großen Teilen an der Verfügbarkeit von Übersetzungen. Mit Blick auf den deutschsprachigen Kontext waren es vor allem der sogenannte französische Strukturalismus und Poststrukturalismus, der in den Programmen von Verlagen wie Suhrkamp, Merve, Matthes & Seitz, Turia & Kant und Passagen im Zentrum stand.

Die Geschichte der Theorie im Hinblick auf ihre Übersetzungen zu untersuchen, rückt nicht nur eine bestimmte ‚Praxis‘ der Theorie in den Blick, sondern auch die Formen der Aneignung, die Pluralität der Kontexte, Gemeinschaften und Öffentlichkeiten, in denen Übersetzungen ihre Wirkung entfalten konnten.

Der in dieser am Peter Szondi-Institut der Freien Universität Berlin stattfindenden Tagung erstmals unternommene Versuch einer Theorieübersetzungsgeschichte begreift Theorie als Geschichte ihrer Übersetzungen und rückt konkrete Verhältnisse, Akteure und Bezüge in den Blick, die über die Reziprozität von Eigenem und Fremden hinausgehen. Theorieübersetzungsgeschichte verschafft somit nicht nur einen neuen Zugang zu zentralen und peripheren Theorie-Texten, vielmehr soll sich in ihr auch die Beschaffenheit jener Diskurse erschließen, in denen Übersetzungen nachhallen oder verstummen, indem sie deren Geschichtlichkeit verdoppelt.

Leitung: Wolfgang Hottner

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