Die Übersetzerin Margarete Längsfeld; Bild: Sabine Längsfeld

Das konnte nur Margarete sein

„Die Gymnastik ist ganz oben, auf dem Theaterdach!“ Und schon war sie um die Ecke geflitzt. – Das konnte nur Margarete sein, die dort im Treppenhaus der „Mühle“ die Stufen hochlief. Es war mein erstes Mal bei der VdÜ-Jahrestagung, mein erstes Zusammentreffen mit leibhaftigen Kolleginnen und Kollegen, die ich bisher nur virtuell kannte. Ganz prominent darunter: Margarete Längsfeld, mit der mich sofort das gemeinsame Faible für Miss Murphy verband, denn sie übersetzte die Katzenkrimis, und ich hatte Heimweh nach den Südstaaten. Auf die erste „echte“ Begegnung sollten noch viele Treffen folgen – in Wolfenbüttel, auf dem Filmfest Lünen, in Ismaning (garniert mit Hundespaziergängen und morgendlichem Schwimmen). Zu meiner Freude kam sogar eine gemeinsame Romanübersetzung zustande. Vor allem aber lernte ich Margarete als eine Frau mit nicht nachlassender Energie, bewundernswertem Humor und großer Begeisterung für Menschen jeden Alters und Hintergrunds Art kennen.

Claudia Arlinghaus

 

Sie ebnete mir den Weg ins Übersetzen

Margarete wurde 87 Jahre alt und übersetzte seit den Sechzigerjahren über zweihundert Titel aus dem Englischen ins Deutsche. Sie hat Audrey Lorde und auch Victoria Holt übersetzt, Kazuo Ishiguro und Rosamunde Pilcher, Carol Shields, natürlich ihre geliebte Rita Mae Brown, Gita Meta und viele, viele, viele mehr. Nach dem vor 10 Jahren erlittenen Hirnschlag übersetzte sie noch zwei Rita Mae Brown-Titel, unverdrossen und mit nur einer Hand. Ein Diktierprogramm wollte sie nicht mehr erlernen. Als letztes übersetzte sie drei Gedichte des großartigen Malers, Musikers und Autors Cevin Coyne. Meine verwegene Theorie lautet, dass gerade die damals schon beginnenden Nebelschwaden in ihrem Kopf ihr einen sehr unmittelbaren, fast radikalen Zugang zu Coynes absurder Lyrik ermöglichten.

Ich melde mich hier heute nicht in erster Linie als Margaretes Tochter zu Wort, sondern als ihre Schülerin. Sie ebnete mir den Weg ins Übersetzen und stand mir bei den ersten Titeln geduldig und liebevoll als Lektorin zur Seite. Wir haben immer wieder auch gemeinsam Projekte übersetzt, Amitav Ghosh zum Beispiel, Malala Yousafzai oder Sara Gruen, und ich habe es ihr zu verdanken, dass ich auch beruflich heute da stehe, wo ich bin.

Sabine Tatz  (aka Sabine Längsfeld)

 

Sie machte immer weiter, blickte immer nach vorn

Wenn Margarete unter den ÜbersetzerInnen auftauchte, spürte ich immer so einen Hauch von Glamour. Es gefiel mir, wenn sie in Wolfenbüttel in der Mittagspause nach ihrem Yogakurs noch Zeit zum Shoppen fand und hinterher in einem Café ihre neu erworbenen Schätze vor mir ausbreitete. Sie strahlte so viel Lebensfreude aus. Ich bewunderte die Kraft, mit der sie ihr Leben organisierte, jeden einzelnen Tag, in schweren Zeiten. Sie machte immer weiter, blickte immer nach vorn.

Nach meinem Umzug nach Berlin, ab 2005, sahen wir uns jeden Februar zur Berlinale im Alten Einstein, eine kleine Frühstücksrunde, wo bei Cappu und Prosecco die neuesten Filme und Ereignisse des Jahres diskutiert wurden. Und bevor sie krank wurde, durfte ich auch mal bei ihr übernachten. Ich sollte am nächsten Tag zu einer Tour in die Wüste Sinai aufbrechen, und diese Nacht in ihrer Bibliothek im Souterrain des Hauses zu verbringen, war für mich äußerst beruhigend. Ein echter Kraftort.

Gisela Sturm


Übersetzen im Doppelpack

Wenn ich an Margarete als Kollegin zurückdenke, fällt mir als erstes das Schlagwort „Übersetzen im Doppelpack“ ein. Denn so haben wir uns kennengelernt: Für eine unerwartet umfängliche Rita Mae Brown brauchte Margarete Unterstützung, und irgendwie kam ich als damals noch ziemlich blutige (wenn auch nicht mehr blutjunge) Anfängerin mit an Bord. Es war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft – und einer wunderbaren Zusammenarbeit, immer wieder, über viele Jahre verteilt, an den unterschiedlichsten Büchern. Wir haben viel voneinander gelernt, haben noch viel mehr miteinander gelacht und konnten uns nur über eins nicht einigen – ob man denn nun „Tür“ oder „Türe“ schreiben solle (dreimal dürft ihr raten, wer wofür votierte). Über diese Streitfrage musste dann die Lektorin entscheiden.

Martina Tichy


Erschienen in der Zeitschrift Übersetzen 2/2023.

(12.1.2024)