Rübermachen. Worüber setzt (sich) eine Übersetzung hinweg?

Wer Grenzen passiert hat, lebt fortan in der Drehtür: zurück und nach vorn, beides immer zugleich. Ein übersetzter Text wendet sich sowohl dem Original als auch den Lesern der neuen Sprachgemeinschaft zu. Serge Doubrovsky, der Erfinder des Genres „Autofiktion“, ist nie übersetzt worden. Wie hört man einem „Zerbroche­nen Buch“ zu, wenn man es für einen neuen Sprachraum erschließen will? Wer schreibt mit? Mit wie vielen Stimmen spricht ein (übersetzter) Text?

Auch wenn er zwischen zwei Buchdeckel passt, ist ein literarischer Text kein abgeschlossenes Ding. Ständig entzieht er sich dem Versuch des Festlegens. Serge Doubrovsky spielt in seinen Büchern das Leseproblem als Erinnerungsproblem durch. Denn Autofiktion ist auch Autofriktion: Bewusstes reibt sich an Unbewusstem. „Die Revolution der Psychoanalyse hat auch die autobiografische Landschaft ver­wüstet“, erklärt er in seinem Werk Le livre brisé.

In einem selbstreflexiven, selbst autobiografischen Essay hinterfragt Claudia Hamm lite­rarische Übersetzungen als Gemeinschaftswerke, die bei ihrer Migration dem Kompass der Stimme folgen. Mehrere Autorïnnen schreiben sich in einen Text ein, sprachliche Übertragungen und Fremdheitserfahrungen erzeugen Verwandlungen der ästhe­tischen, inhaltlichen und emotio­nalen Beziehungen im Text. Die Löcher in diesem Netzwerk vermehren sich dabei ebenso wie die Fäden und Zusammenhänge.

24. Juni 2019, IFK Wien
Reichsratsstraße 17
1010 Wien

vollständige Ankündigung

Claudia Hamm ist Regisseurin, Autorin und literarische Übersetzerin. Sie arbeitete am Burgtheater Wien und an zahlreichen Theatern und Festivals in Italien, Frankreich und im deutschsprachigen Raum. Für ihre Übersetzun­gen war sie 2016 für den Übersetzerpreis der Leipzi­ger Buchmesse nominiert und erhielt den Literaturpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft. Derzeit ist sie IFK_Translator in Resi­dence/Gast des Direktors.